Konzept

 

Was ist Stimmen in der Stadt?

Stimmen in der Stadt ist ein Audio-Projekt zum Welt-Aids-Tag 2010 in Berlin. Im Zentrum stehen Interviews mit Menschen aus Berlin, die davon erzählen, was Kranksein mit Aids für sie bedeutet.

Manche berichten, wie sie sich kaum mehr selbständig aus ihren Wohnungen bewegen können und ihre sozialen Kontakte verloren gehen. Manche machen sich Gedanken über ihre schwindende Sexualität und die damit einhergehende Deklassierung ihres Selbstbildes. Manche stellen ihre Auflehnung gegen das Stigmatisiertsein in den Vordergrund oder erklären, warum sie sich trotzdem weiter am Leben freuen. Ihnen allen ist gemeinsam, dass ihre Lebenssituation von der Erfolgsgeschichte der antiretroviralen Kombinationstherapie kaum beschrieben werden. Zum Welt-Aids-Tag 2010 werden sechs dieser Stimmen in der Öffentlichkeit erklingen.

Jedes Jahr wird an das Weiterexistieren von Aids erinnert, oftmals mit Fokus auf ferne Länder. Im täglichen Leben hat man sich schon längst damit arrangiert, dass einige Freunde und Bekannte um eine bestimmte Uhrzeit des Tages ihr Tablettencocktail schlucken. Damit scheint die Sache im Griff zu sein – über etwas anderes wird selten berichtet.

Die Stimmen, die vom 25. November bis zum 8. Dezember 2010 an 15 Orten in Berlin zu hören sein werden, dringen sonst nicht an die Öffentlichkeit. Sie werden Geschichten erzählen, die quer zu der uns vertraut gewordenen Wahrnehmung von HIV und Aids verlaufen. Stimmen in der Stadt erobert den öffentlichen Raum für sie zurück. Es geht nicht um die Rückkehr des Bedrohungsszenarios der 80er- und 90er-Jahre, sondern um eine neue Erzählung des Krankseins und des Lebens mit Aids.

Obwohl in Deutschland täglich im Schnitt zwei Menschen an den Auswirkungen des HI-Virus sterben, steht nicht das Sterben im Mittelpunkt des neuen Aids, sondern die Frage nach dem »Wie weiter?«. Was tun, wenn ich zu allem keine Kraft mehr habe? Wen anrufen, wenn ich mich vor meinem eigenen Anblick scheue? Wozu weiterleben, wenn es keine Perspektive für eine Partnerschaft mehr gibt?

Wie hat man sich Stimmen in der Stadt konkret vorzustellen?

Zwei Wochen lang werden an 15 verschiedenen Orten in Berlin Stimmen zu hören sein. In Analogie zum Virus sind die Stimmen nicht sichtbar. Sie kommen aus dafür konstruierten Lautsprecherinstallationen, die etwa vier Meter über dem Boden angebracht sind. Eine geeignete Audiotechnik wird es erlauben, jeweils einen eingeschränkten Radius von einigen Metern so zu beschallen, dass man sich dort die Geschichten anhören kann. Von weiterer Entfernung wird der Schall nur vage wahrzunehmen sein.

Die Installationen stellen es den Passanten völlig frei, ob und wie lange sie den Stimmen lauschen möchten. Die Stimmen sprechen zwei Wochen lang ohne Unterlass in Endlosschlaufen weiter, egal, ob jemand ihnen zuhört oder nicht. Wer möchte, kann in einem ruhigen Moment zurückkehren, um nochmals genau zu hören, was sie erzählen. Die Stimmen sind da, Tag und Nacht. Zwei Wochen lang kann sie niemand daran hindern, der ganzen Stadt ihre Geschichten zu erzählen.

Mit einfachen Mitteln der Beleuchtung und einem auf den Fußboden aufgetragenen oder an einer Wand angebrachten Hinweis auf die Aktion werden die einzelnen Beschallungsorte visuell hervorgehoben. Die Verwendung des Projektlogos erleichtert das Wiedererkennen und verleiht der Aktion eine optische Präsenz im öffentlichen Raum.

Ausführlich in Text- und Audiofassung werden die Interviewausschnitte gleichzeitig mit der Aktion auf dieser Webseite zu finden sein. Ergänzend zu ihrer Präsenz im öffentlichen Raum wird dies Möglichkeit bieten, den Stimmen in aller Ruhe und Intimität zuzuhören, Kritik oder Zustimmung zu äußern oder mit eigenen Erzählungen zu partizipieren.

Eine Eröffnungsveranstaltung mit Pressekonferenz findet am Mittwoch, den 24. November im Axel-Hotel Berlin statt. Am Ende der Laufzeit von Stimmen in der Stadt werden alle Mitwirkenden und Zugewandten zu einer Finissage mit Musik und Getränken eingeladen. Für eine Dokumentation der gesamten Aktion konnte der für seine Reportagen mehrfach ausgezeichnete Fotograf Daniel Rosenthal gewonnen werden.

Wen will Stimmen in der Stadt erreichen?

Stimmen in der Stadt richtet sich grundsätzlich an alle, deshalb auch der öffentliche Raum als Veranstaltungsort. Durch ihren herausfordernden Inhalt und die außergewöhnliche Form der Audio-Installation verspricht diese Aktion eine große Resonanz in den Medien. Stimmen in der Stadt wird der jährlich anfallenden Berichterstattung zum Welt-Aids-Tag willkommenen Stoff liefern und den Blick dorthin richten, wo er zuletzt nicht mehr gewesen ist: auf die Realität von Aids im 21. Jahrhundert mitten in unserer Stadt.

Im engeren Sinne werden durch die Aktion Menschen angesprochen, die sich nicht grundsätzlich der Thematik Aids verschließen, die neugierig und offen sind und die bereit sind, sich auf das Zuhören einzulassen. Die Auswahl der Interviews wird die Pluralität der Menschen mit HIV und Aids spiegeln.

Wie wird Stimmen in der Stadt finanziert?

Die Basisfinanzierung des Projekts ist seit 18. März 2010 durch eine Förderzusage der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin gesichert. Zu den weiteren Förderpartnern gehören die Deutsche AIDS-Stiftung, die Deutsche AIDS-Hilfe und der lesbisch-schwule Förderkreis elledorado e. V. Die restlichen Kosten werden vor allem durch Spenden gedeckt. Firmen oder Einzelpersonen können eine Patenschaft für eine Hörstation übernehmen. Der Träger AVK Sozialprojekte gemeinnützige GmbH kann für jede Spende eine vom Finanzamt anerkannte Spendenbescheinigung ausstellen.